Dr. Hans-Gert Pöttering: „Wir müssen für Europa kämpfen!"
„Wenn wir zulassen, dass wieder Grenzen in den Köpfen und in der Realität aufgebaut werden, dann ist Europa verloren." – Es war ein flammender Appell für die europäische Einigung, den der ehemalige EU-Parlamentspräsident Dr. Hans-Gert Pöttering am vergangenen Freitag in Bad Bentheim an die Zuhörer richtete. Am Grenzübergang De Poppe zu den Niederlanden sprach er gemeinsam mit Landratskandidat Uwe Fietzek über Europa.
Es war ein Treffen unter Freunden – sowohl den Ehrenvorsitzenden der Grafschafter CDU, Günter Schwank, als auch CDU-Vorstandsmitglied Hermann Poorthuis und den ehemaligen Bad Bentheimer Bürgermeister Günter Alsmeier verbindet mit Pöttering eine lange gemeinsame politische Wegstrecke, wie der ehemalige Parlamentspräsident hervorhob. Poorthuis würdigte Pöttering als einen Mann, der an vielen entscheidenden europäischen Weichenstellungen beteiligt war: „Eigentlich müsste man Dich auch, wie Helmut Kohl, zum Ehrenbürger Europas machen."
Der Bad Bentheimer CDU-Vorsitzende Marcel Speker machte in seiner Begrüßung deutlich, dass die Vorteile der europäischen Einigung in den Grenzregionen besonders präsent seien. Dennoch würden viele Errungenschaften Europas als viel zu selbstverständlich genommen: „Wir müssen sicherstellen, dass die Menschen realisieren, was sie an Europa haben." – Das hatte zuvor Hermann Poorthuis direkt am Grenzübergang plastisch dargestellt. Er schilderte, teilweise aus eigener Anschauung als ehemaliger Beschäftigter einer dortigen Spedition, wie die Abläufe bei der Grenzabfertigung seinerzeit waren: „Es ist aus heutiger Sicht beinahe unglaublich, welch ein bürokratischer Aufwand zu betreiben war, wenn LKW die Grenze überqueren wollten." Je nach Ladung waren eine aufwändige Beschau des Fleisches oder eine Begasung von Pflanzen erforderlich, bevor die Weiterfahrt der Fahrzeuge genehmigt werden konnten. Mehrere Kontrollschritte wurden in der Zeit von 6 bis 22 Uhr vorgenommen. Außerhalb dieser Zeiten war ein Grenzübertritt nicht möglich. Der Kontrast wurde besonders deutlich, da die CDU-Vertreter zuvor an der Brücke über die A30 Station gemacht hatten und dort den ungehemmt fließenden Grenzverkehr beobachten konnten. Mit dabei auch zwei Vertreter der niederländischen Schwesterpartei CDA aus Losser.
Uwe Fietzek machte bei der anschließenden Diskussion in der Gaststätte „De Twentse Nar" auf niederländischer Seite der Grenze deutlich, dass die Grenzregion und auch der Landkreis durch die europäische Einigung massive Vorteile erfahren habe: „Wir haben eine Vielzahl von Punkten, an denen wir die Grenze einfach wegdenken müssen. Das beginnt beim Hochwasserschutz, geht über das Rettungswesen und endet noch lange nicht bei der gemeinsamen, EU-projektorientierten Jugendarbeit", machte der Landratskandidat der CDU deutlich.
Hans-Gert Pöttering lobte zunächst Uwe Fietzek als „weitsichtigen Kandidaten, der für die Grafschaft ein sehr guter Landrat" wäre. Er wies darauf hin, dass Grenzen zunächst in den Köpfen der Menschen entstehen. Er zeigte sich in dem Zusammenhang überzeugt, dass es „unsere große Herausforderung ist, dass wir den Respekt vor der Würde eines jeden Menschen sicherstellen." Jedenfalls ließen sich Probleme nicht national lösen. Er sehe insgesamt drei Identitäten, die sich nicht isolieren lassen: „Die Begriffe Heimat, Vaterland und Europa gehören nach meinem Verständnis zusammen. Wer nur die Heimat sieht, wird sie nicht schützen können. Die eigene Nation über andere zu stellen, führt in den Krieg. Und wer nur Europa sieht, hat keine Wurzel." Auch Pöttering erinnerte daran, dass die europäischen Errungenschaften nicht zu selbstverständlich genommen werden dürften: „In diesem Jahr liegt die erste Direktwahl des Europäischen Parlaments 40 Jahre zurück. Rechnet man vom Gründungsjahr 1979 weitere 40 Jahre zurück, landet man im Jahr 1939. Das zeigt, wie fragil die Dinge sein können, wenn man sich nicht vehement für sie einsetzt."